Angedacht
»Innehalten!«
Liebe Leserin, lieber Leser,
dazu fällt mir zuerst die biblische Geschichte von Bileams störrischer Eselin ein (4. Mose 22, 21-35), die einfach nicht weitergehen will, weil sie – im Gegensatz zu ihrem Reiter – den Engel Gottes im Weg stehen sieht, der ein Innehalten fordert. So schlimm Bileam auch auf die Eselin einprügelt, er erreicht doch nichts. Bis sich der Engel auch ihm offenbart.
Diese uralte Geschichte lässt heutige Esel-Liebhaber vermuten, dass die Esel eben oft mehr wissen, als wir! Sie sind nicht störrisch oder faul, sondern ihr Innehalten hat guten Grund. Und wenn man es respektiert und selbst einmal die Lage überdenkt, dann kommt man besser zum Ziel. Wir sollten also wohl öfter mal innehalten, auch wenn uns kein Esel dabei hilft!
Innehalten kann gut tun. Vor allem in stürmischen Zeiten, wenn wir getrieben sind von drängenden Entscheidungssituationen oder von schier unaufhaltsamen Abläufen, die uns den Atem rauben. Innehalten. Einfach mal stehen bleiben und durchatmen. Oder einen ruhigen Ort aufsuchen, um zu sich selbst zu kommen. Im Sommer kann es die Hitze sein, die uns zum PauseMachen zwingt. Dann ist die offene Nikolaikirche ein beliebter, weil kühler Ort. Man setzt sich in eine Bank und lässt die Stille in dem schlichten weiten Raum auf sich wirken. Ganz wie von selbst kommt man zur Ruhe, kommt auf andere Gedanken, im besten Fall zu einer guten Idee, wie man mit den anstehenden Herausforderungen besser umgehen kann. Vielleicht wagt man sogar ein Gebet.
Jesus hat ruhige Orte in der Natur aufgesucht, wenn ihm die Bitten und Anfragen der Menschen zu viel wurden. Öfter liest man, dass er sich zurückzieht, um zu beten und neue Kraft zu schöpfen.
Innehalten tut nicht nur gut, es ist lebens-notwendig. Keiner und keine kann dauerhaft auf Trab sein und allen Anforderungen genügen – weder den selbst gemachten noch denen, die von außen auf uns zukommen.
Die Urlaubszeit ist eine gute Gelegenheit, gezielt innezuhalten. Es sei denn, man hat auch im Urlaub ständig Programm, hastet von einer Sehenswürdigkeit zur anderen, um auch bloß alles mitzubekommen, was der Ferienort zu bieten hat. Klug ist, wer auch mal bewusst abschaltet, wer sich und den anderen Ruhe gönnt.
Aber auch im Alltag gibt es genug Gelegenheit! Wichtig ist, dass ich mich selbst zum Innehalten entscheiden kann – schwierig wird es, wenn eine Erkrankung mich zum Innehalten zwingt.
In meinem Arbeitszimmer steht ein Hologramm-Foto von einem störrischen Esel, der heftig nach hinten ausschlägt, wenn ich das Bild bewege. Ich denke an Bileams Eselin, die mehr sah, als er. Ich will innehalten, immer mal wieder, um die Dinge neu zu sehen. Und will anderen zugestehen, das auch zu tun, wenn es für sie dran ist. Ich wünsche auch Ihnen eine sanfte Erinnerung zur rechten Zeit daran, dass Sie innehalten dürfen. Eine behütete Sommerzeit!
Ihre Pastorin Annegret Mayr
