Angedacht

Glaube ist immer öffentlich, also auch politisch

Liebe Leserinnen und Leser,

auf der Suche nach … werden wir uns ganz schnell einig mit Zielpunkten wie »Frieden«, »Gerechtigkeit«, »Respekt« und »Wertschätzung«. Das wünschen wir uns auf der Suche nach...

Der Prophet Jeremia setzt eine Aufforderung entgegen: »Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn’s ihr wohlgeht, so geht’s euch auch wohl.« (Jeremia 29,7)

 

Für den Propheten resultierte auf der Suche nach …, mit dazu beizutragen, dass Stabilität der Verhältnisse, Friede in der Stadt, – der hebräische Text verwendet hier den Begriff »Schalom«, dass Friede in der Stadt der Fremde herrsche. Und dieser Friede, der »Stadt Bestes«, kann nur zustande kommen, wenn die Deportierten für die Menschen, unter denen sie jetzt leben, beten, wenn sie sie also mit in die Gemeinschaft vor Gott verbunden wissen. Das heißt: für Feinde beten. Jeremia kann dazu auffordern, weil er sich sicher ist, dass Gott ein Gott des Friedens ist; der Gott, mit dem das Volk in seiner langen Geschichte viele Erfahrungen der Bewahrung und Errettung gemacht hat.

 

Was ist das Beste für die Stadt, das Beste für das Volk? Wonach soll es suchen? Die Antwort des Jeremia ist eine doppelte: sich zum einen aktiv an der Gestaltung der Gesellschaft zu beteiligen, aber zum anderen auf eine besondere Basis zu stellen, nämlich auf die Basis des Gebetes. Er kann das tun, weil er um die Gemeinschaft mit Gott weiß und diese Gemeinschaft dem Volk neu ins Bewusstsein bringen will. So kann Glaube gelebt werden in einer Zeit, in der viele von diesem Glauben nichts wissen wollen oder ihn für eigene Zwecke missbrauchen: nicht ein Sich-zurück-ziehen ist der Weg, auch nicht hinein in eine Innerlichkeit, die die Welt sich selber überlässt. Sondern der Wille, die Welt ganz bewusst mitzugestalten, das Beste für das Volk, für die Gemeinschaft, in der wir leben, zu suchen. Und das mag auch für uns gelten im Jahr 2025. Das heißt, dass wir angesichts von Wahlen in diesem Monat uns einbringen mit unseren christlichen Ideen und Idealen und ausgewogen diskutieren ohne populistische Parolen. So fragen wir: worin besteht die Aufgabe der Kirche in einer Zeit, die zunehmend geprägt ist von Krisen und Orientierungslosigkeit? Da ist das Handeln und da ist das Gebet; die Rückbesinnung auf Gott und das Leben aus der Gemeinschaft mit ihm, weil wir wie Jeremia davon überzeugt sind, dass der Gott, an den wir glauben, Gedanken des Friedens und nicht des Leides für die Menschen hat.

 

Bei Dietrich Bonhoeffer habe ich gelernt, dass Kirche eine kritische, eine beobachtende Aufgabe staatlichem Tun gegenüber hat. Sie kann den Staat nicht einfach gewähren, nicht einfach sich selbst überlassen. Glaube ist immer öffentlich, also auch politisch. Kirche ist verpflichtet, den Opfern des staatlichen Handelns hilfreich zur Seite zu stehen. Und zwar unabhängig davon, ob sie mit oder ohne eigenes Verschulden in diese Notlage geraten sind. Dieser Gedanke wird uns auf der Basis christlicher Nächstenliebe her wohl am meisten und am leichtesten nachvollziehbar. Wir leben in einem Staat, der uns Religionsfreiheit gewährt, der sowohl der Kirche als auch den einzelnen Christen ein großes Maß an Möglichkeiten lässt, den Glauben zu leben, auch wenn die Bedeutung der christlichen Religion in unserer Gesellschaft deutlich abnimmt. Worin besteht unsere Aufgabe? Da werden wir auf die Suche geschickt, und nach nicht weniger als dem Besten, und an das Gebet verwiesen. Es ergeht die Aufforderung zur Gemeinschaft mit Gott, daran, ihn von ganzem Herzen zu suchen, sich an ihm und seinen Geboten zu orientieren und nicht zuzulassen, dass er von vielem anderen, das auch wichtig ist, verdrängt wird. Auf dieser Basis sich in die Gesellschaft einzumischen, das ist das Beste, was wir für sie tun können. Unser Glaube hilft, dass wir uns zum Wohle der Gesellschaft einsetzen. Wie im Einzelnen ein verantwortliches Mitgestalten aussehen kann, das wird für jede oder jeden nach der jeweiligen Situation wieder anders sein. Es sollte aber, neben dem Gebet und auf der Grundlage des Gebets, das sein, was uns Christen heute in der Gesellschaft prägt. Und was uns in dieser Gesellschaft als Christen sichtbar macht. Und bei all dem können wir uns geborgen wissen bei dem Gott, der Gedanken des Friedens und nicht des Leidens über uns hat. Und der sich auch finden lassen wird, wenn wir ihn von Herzen suchen, das meint

Ihr Pastor Stefan König.

»Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn’s ihr wohlgeht, so geht’s euch auch wohl.« (Jeremia 29,7)

Pfarrer Stefan König